Der rationale Lösungsansatz

Der rationale Lösungsansatz basiert auf der Funktion des rationalen Verstandes. Diese Funktion besteht darin, Ideen bilden zu können und diese Ideen dann zu benutzen, um Verhaltensentscheidungen zu treffen. Den Prozess der Bildung von Ideen bezeichne ich als „Rationalisierung“. Er läuft folgendermaßen ab:

  1. Grundlage der Rationalisierung ist die Wahrnehmung. Aus der Wahrnehmung werden bestimmte Elemente ausgewählt, von denen der Verstand annimmt, dass sie zueinander in Beziehung stehen.
  2. Die ausgewählten Elemente werden mit Eigenschaften versehen.
  3. Die Elemente werden anhand ihrer Eigenschaften zueinander in Beziehung gesetzt. Und fertig ist die „Idee“.

Die Ideen stellen eine spezifische Art und Weise dar, das Verhalten der Welt über seine Gesetzmäßigkeiten zu beschreiben. Die Ideen bilden die Gesetzmäßigkeiten ab, denen das Verhalten der Welt folgt. Aus diesen Ideen baut sich der rationale Verstand nach und nach seine Weltsicht auf. Die „Weltsicht" ist die Summe der Ideen über das Verhalten der Welt.

Mit der Weltsicht weiß der rationale Verstand aber noch nicht, wie er sich bezüglich des eigenen Verhaltens entscheiden soll. Deshalb werden in einem weiteren Schritt aus den Ideen der Weltsicht Regeln für das eigene Verhalten abgeleitet. Und das sind die „Konzepte“. Auch die „Konzepte“ sind Ideen, nur dass sie sich um Unterschied zu den Ideen der Weltsicht auf das eigene Verhalten beziehen, während sich die Ideen der Weltsicht auf das Verhalten der Welt beziehen. Konzepte ordnen bestimmten Situationen jeweils ein spezifisches Verhalten zu:

„Wenn ich mich in Situation X befinde, dann muss ich Verhalten Y an den Tag legen.“

Die praktische Anwendung der Konzepte basiert auch wiederum auf der Wahrnehmung: Über die Wahrnehmung werden Situationen voneinander unterschieden, um dann das richtige Konzept für die Situation auswählen zu können und so eine Verhaltensentscheidung treffen zu können.

Der Prozess der Rationalisierung und Konzeptbildung, den ich bis hierhin beschrieben habe, ist auch genau das, was die Wissenschaft ganz bewusst tut:

  1. Das Verhalten der Welt untersuchen und in der Weltsicht beschreiben.
  2. Daraus Konzepte für das eigene Verhalten ableiten.

Darüber hinaus gibt es aber noch einen zweiten rationalen Prozess, der eher unwillkürlich und größtenteils unbewusst abläuft. Ziel des rationalen Verstandes ist immer die Bildung von Konzepten, denn die braucht der Verstand, um seine zentrale Aufgabe erfüllen zu können: Entscheidungen über das Verhalten zu treffen. Der zweite Prozess läuft sehr viel direkter und eben oft auch unbemerkt ab:

Wenn ein bestimmtes Verhalten als erfolgreich erkannt wird, dann wird dieses Verhalten analysiert und in seinen Parametern erfasst:

„Was genau war die Situation und was waren die erfolgsbestimmenden Parameter meines Verhaltens?“

Auf diese Weise werden aus erfolgreich bewertetem Verhalten auch ganz direkt Konzepte abgeleitet, um in einer gleichartigen Folgesituation den Erfolg wiederholen zu können.

Auf diesem zweiten Konzeptbildungsprozess basiert auch die Herausbildung des wissenschaftlichen Vorgehens als solches: Die ersten entdeckten Naturgesetze mit ihrem offensichtlich hohen Nutzenpotential spielten sich vollständig im Bereich der äußeren Wahrnehmung und damit im gemeinsamen Wahrnehmungsraum aller Menschen ab. Deshalb konnten Sie problemlos anderen Menschen vorgeführt werden, was sich in der Folge als „wissenschaftlicher Beweis“ etablierte. Man hatte damit ein Vorgehen gefunden, um die Gültigkeit der gefundenen Gesetzmäßigkeiten sicherzustellen. Ein solches funktionierendes Vorgehen wiederholt anzuwenden, ist zweifellos eine sinnvolle Maßnahme. Das Problem entsteht erst durch die verabsolutierende Verallgemeinerung, die alle anderen Formen von Erkenntnis ausschließt (Absolutheitsanspruch der Wissenschaft).

Wenn die Wissenschaft ihre Untersuchungen auf die Wahrnehmung über die äußeren 5 Sinne beschränkt und die innere Wahrnehmung als „unwissenschaftlich“ ausschließt, weil sie sich formalen wissenschaftlichen Beweisen entzieht, dann bedeutet das, dass die verarbeiteten Informationen unvollständig sind. Und das wirkt sich an beiden Stellen aus, wo die Wahrnehmung im Prozess der rationalen Problemlösung eine Rolle spielt:

  1. Bei der Rationalisierung (Ideenbildung): Die Elemente, die in den Ideen zueinander in Beziehung gesetzt werden, sind unvollständig. Ein Teil der Gesetzmäßigkeiten wird verzerrt dargestellt und ein anderer Teil von Gesetzmäßigkeiten entgeht der Wissenschaft ganz. Es werden lediglich solche Gesetzmäßigkeiten richtig erkannt, deren Elemente ausschließlich im Bereich der äußeren (messbaren) Wahrnehmung über die 5 Sinnesorgane angesiedelt sind.
  2. Bei der Anwendung der Konzepte: Die Situationen werden ungenügend differenziert. Das heißt, es werden Situationen nicht unterschieden, die eigentlich unterschieden werden müssten und in der Folge werden Konzepte auf Situationen angewandt, für die sie nicht funktionieren.

Soweit die Funktionsweise des rationalen Verstandes. Nun zu der Frage, wie die Psyche ihre Aufgabe gelöst hat, bevor sich der rationale Verstand entwickelte und wie sie das auch immer noch partiell tut – allerdings auf eine stark durch den rationalen Verstand eingeschränkte Weise:

nächstes Kapitel: Der nicht-rationale Ansatz